Gastbeitrag von Sonja Krummenacher vom Zero Waste Blog Zero Waste Zentralschweiz
Als ich das erste Mal das Wort „Zero Waste“ gehört habe, rollte ich mit den Augen. Ganz ohne Müll leben? Geht so etwas überhaupt und, als zweites, muss man es denn gleich übertreiben?
Dabei ist der Begriff gar nicht so radikal, wie es beim ersten Hören den Eindruck macht und kann ohne Druck und Stress individuell umgesetzt werden. Was es damit auf sich hat und wie du dir das vorstellen kannst, erfährst du in dem folgenden Blogeintrag.
Zero Waste – ein Kompass
„Zero Waste“ bedeutet nicht, absolut keinen Müll mehr zu produzieren und auch nicht, den angesammelten Müll eines Jahres auf Biegen und Brechen in ein Einmachglas zu quetschen. Richtig, „Zero Waste“ beschäftigt sich mit Müll und ja, auch damit, ihn möglichst zu reduzieren. Doch dabei bietet er vor allem eines: Orientierung. Es geht vor allem darum, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und sich seiner Position in der heutigen Konsumgesellschaft bewusst zu machen. Denn der Massenkonsum, mit dem wir tagtäglich konfrontiert werden, macht einen wesentlichen Teil unserer Müllproduktion aus.
Schätzungsweise mehrere Millionen Tonnen Plastikmüll verschmutzen das Meer – vieles davon stammt aus den westlichen Industrieländer. Recycling schön und gut, doch leider noch viel zu unzureichend umgesetzt. Die deutschen Wälder zeichnen sich heutzutage vor allem als Wirtschaftsgefüge aus, um uns u.a. mit strahlend weißem Papier zu versorgen. Kurz um: wir verursachen vor allem durch unseren Konsum Massen an Müll, die nicht nur das Klima bedrohen, sondern auch die Generationen, die nach uns kommen. Deswegen macht es durchaus Sinn dem kritisch zu begegnen. Doch wie?
Die Zero Waste Säulen nach Bea Johnson*
Zero Waste baut auf fünf Säulen auf, die man sich wie eine auf dem Kopf stehende Pyramide vorstellen kann:
Als ersten Schritt steht das Ablehnen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht wirklich brauchen. Dabei kann es sich um Werbung handeln, PR-Samples, Gratis-Mustern oder Einwegverpackungen wie der Plastiktüte im Supermarkt.
Danach folgt das Reduzieren. Wenn wir etwas nicht ablehnen möchten, dann können wir es meistens reduzieren. Wer nicht auf das Auto verzichten möchte, könnte sich bspw. einen Autofreien Tag die Woche einplanen. Die Lieblingschips gibt es nur in der schwer recyclebaren Tüte? Wie wäre es, wenn sie nur noch einmal die Woche konsumiert wird? Der allgemeine Konsum kann auch dadurch reduziert werden, dass man vermehrt Gebrauchsgegenstände ausleiht, sei es in der Bibliothek, das Car-Sharing, Streaming-Dienste oder eBay. Diese Plattformen leiten geradewegs über zur nächsten Säule: dem Wiederverwenden.
Während es vor nicht allzu vielen Generationen vor uns noch vollkommen normal war, Dinge so lange wiederzuverwenden, bis sie in ihre Bestandsteile zerfielen, werden sie heutzutage oft einfach durch Neues wieder ersetzt und landen … genau, im Müll. Wie wäre es mit einem Kleidertausch um Textilien ein zweites oder auch drittes Leben einzuhauchen? Oft rentieren sich Reparaturen kaum noch, dennoch entstehen immer mehr Repair-Cafes, die sich kaputten Gegenständen, meist gratis, annehmen. Und wer weiß, die meisten neuen Sachen, die man sich im Sinne der Nachhaltigkeit kauft, haben oft eine viel längere Lebensdauer, als die günstigen Varianten und können auch öfter wieder repariert werden.
Das Recyclen und Kompostieren bilden die letzten beiden Säulen. Und für das Recycling muss man nicht erst zum Entsorgungshof fahren. Wer über ein paar Nähkünste verfügt, kann aus alten Handtüchern bspw. wiederverwendbare Abschminktücher nähen oder – auch ohne dieses Talent – aus Strumpfhosen Haargummis herausschneiden und alte Unterhemden zu Putzlappen umwandeln. Recycling kann auch bedeuten, alte Kissenbezüge als Taschen für das Brot oder Gemüse zu nutzen. Das Kompostieren ist mittlerweile auch überall umsetzbar: für Stadtwohnungen gibt es mittlerweile geruchslose und saubere Wurmkisten*, die geschlossen als Sitzmöbel fungieren. Wer das Glück eines Gartens hat, kann auch auf die traditionelle Weise organisches Material in wertvollen Dünger verwandeln.
Durch diese Säulen lässt sich bereits ein Großteil des eigenen Restmülls drastisch reduzieren, ohne dass man sich spezielle nachhaltige Produkte anschaffen muss. Denn der nachhaltigste Konsum ist der, der nicht stattfindet.
Diese Säulen kann man ganz entspannt auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Auf was jemand persönlich nicht verzichten will oder was Jemand bereit ist, zu reduzieren, ist ganz individuell. Wichtig ist, dass man sich dabei wohl fühlt, denn nur so lassen sich nachhaltige Routinen langfristig in den Alltag integrieren. Sobald es sich stressig und aufwendig anfühlt, macht es keinen Sinn. Deswegen ist es besser viele kleine Schritte über einen langen Zeitraum zu gehen als große in kurzer Zeit.
Nachhaltige Produkte – nachhaltiger Konsum
Einige Hilfsmittel, um möglichst wenig Müll, vor allem in Form von Verpackungen, zu produzieren, können durchaus sinnvoll sein. Herkömmliche Produkte aus Plastik oder in aufwendigen Verpackungen können in entsprechenden (Online-) Läden, durch welche aus nachhaltigen Materialien ersetzt werden. So gibt es dort Rasierer aus Metall* und Holz*, Holzbürsten* oder einfache Seifen*.
Viele Produkte werden in der Werbung angepriesen, gerade weil sie momentan einen regelrechten Boom erfahren. Da viele Unternehmen dort eine Geldquelle vernehmen, ist es wichtig die Augen aufzumachen, um Greenwashing zu erkennen. Sind die Materialien wirklich nachhaltig? Welche Siegel können die Produkte vorweisen?
Da wird eine Menstruationstasse* angepriesen und dort eine Edelstahlbox*. Auch mit diesen Utensilien ist ein entspannter Umgang empfehlenswert. Zum einen sollte man sich bewusst sein, welche Veränderungen man persönlich bereit ist umzusetzen. Zum anderen, welche zu einem persönlich passen. Dabei muss eine Umstellung nicht von Null auf Hundert erfolgen.
Wer sich beispielsweise mit Periodenunterwäsche oder eine Menstruationstasse* unwohl fühlt, könnte erstmal auf Bio-Binden* oder Bio-Tampons* zurückgreifen, die kein Plastik enthalten. Wer nicht auf Toilettenpapier verzichten möchte, kann es erstmal mit Recycling-Papier versuchen und wenn es die Zahnputztabletten* nicht sein sollen, dann vielleicht Naturkosmetik? Die Palette der Produkte ist lang, doch sollte man sich nicht von der Werbung oder Nachhaltigkeit blenden lassen, sondern vielmehr auf das eigene Gefühl hören: was könnte mir gelingen? Wo würde ich mich bei wohl fühlen? Mit was möchte ich mich gerne näher auseinandersetzen?
Eine andere Frage, die oft zu Beginn der „Zero Waste Reise“ aufkommt ist der, wo man anfangen soll. Meine Antwort: da, wo es einem am einfachsten fällt. Für mich stellte es beispielsweise kaum eine Umstellung dar, von Duschgel auf eine feste Seife* und von Shampoo auf das in der festen Variante* zu wechseln. Also war dies mein erster Schritt Richtung unverpackte Produkte. Manchen erscheint dies kaum machbar, aber dafür vielleicht der nächste Einkauf in einem unverpackt Laden zu planen. Wer erstmal nur vorsichtig schnuppern möchte, kann sich einige der Produkte online ansehen oder sich ein passendes Buch in der Bibliothek ausleihen.
Vieles, was man für ein müllfreieres Leben braucht, besitzt man meistens schon. Die Plastikbrotdosen können ebenso für den unverpackt-Einkauf benutzt werden, wie der Jute-Beutel, der seit Jahren im Flurschrank sein Dasein fristet. Bevor man also zu neuen Produkten greift, sollte man sich zuhause umsehen und alles Vorhandene aufbrauchen, bevor eine neue Anschaffung geplant wird. Und dann macht es Sinn sich beim Neukauf zu fragen: ist das Produkt nachhaltig? Lässt es sich gut reparieren? Und vor allem: brauche ich es wirklich?
Ich lebe nicht komplett müllfrei und ich bezweifle, dass unser Müll, den wir jährlich produzieren, in ein Einmachglas passen würde. Aber er ist deutlich weniger geworden. In den letzten Jahren habe ich aber gelernt, meinen Konsum bewusst zu hinterfragen, mir dessen bewusst zu werden und ein anderes Verhältnis zum Thema Müll zu entwickeln. Der Versuch einer perfekten Umsetzung ist einer entspannten Gelassenheit gewichen. Stattdessen versuche ich immer den bestmöglichen Kompromiss zu finden und meine individuellen Bedürfnisse nicht zu vernachlässigen. Dadurch konnte ich bereits erfolgte Umstellungen sehr gut beibehalten und ohne Stress und Druck durchziehen. Denn in der „Zero Waste Welt“ geht es nicht darum, andere zu missionieren oder mit dem erhobenen Zeigefinger zu maßregeln, sondern sich zu unterstützen, zu motivieren und zu inspirieren. Und das tue ich mit Freuden auf meinem Zero Waste Blog.
www.zerowaste-zentralschweiz.ch



Weiteres zum Thema Nachhaltigkeit findest du auch unter: https://jetzt-nachhaltig.de/
Ein Gedanke zu „Zero Waste – einfach entspannt einsteigen“
Das ist ein guter Beitrag, mit sehr vielen guten Ideen. Wir haben auch kaum noch Müll, weil wir alles wiederverwerten. Doch wenn es um Streaming-Dienste und andere Trend geht, wo man lediglich für das Benutzen bezahlt, sind wir eher nicht so dafür, denn man kann alles gebraucht sehr preiswert bekommen und das Meiste kann sehr oft wieder verwendet, verkauft und verschenkt werden. Doch wenn einem letztendlich gar nichts mehr gehört und man lediglich die für die Nutzung bezahlt, dann wird das eine Sklavengesellschaft zur Folge haben, in der nur eineige Wenige das ganz grosse Gled macht und Otto Normalverbraucher sind endlich für die Nutzung der notwendigsten Dinge abrackern muss. So wie beispielsweise in D eutschland bei der Miete. Ein sehr hoher Prozentsatz der deutschen Bevölkerung hat keine eigene Immobilie, somit müssen diese Leute endlos hart arbeiten, um relativ viel Geld fürs Wohnen zu bezahlen, während ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung sich eine goldene Nase daran verdient und die Bedingungen diktieren kann. Tortyzdem, ein sehr guter Beitrag und wenn alles die Mehrzahl der obigen Vorschläge beherzigen würden, hätte man schnell kaum noch Müll und viele andere Vorteile. Wenn man es nur selbst macht, hilft es auch viel, denn man selbst spart Geld, Ressourcen und lebt bewusster, glücklicher und mehr im Einklang mit der Natur und sich selbst.