Rund ums Meditieren

Wieso Entspannung? Und was hat das mit Selbstheilung zu tun?

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Gastbeitrag von Ulrike Freiherr, Heilpraktikerin für Physiotherapie

Wieso Entspannung

Hintergrund

In unserer westlich zivilisierten Informations- und Dienstleistungsgesellschaft nehmen Krankheiten wie Ein- und Durchschlafstörungen, Tinnitus, Burnout, Angst- und Panikstörungen, Depression, Rückenschmerzen, Antriebslosigkeit u. v. m. stetig zu.

Dabei stellt Stress zumindest einen zu erwähnenden Kofaktor dar. Um es kurz zu beschreiben, könnte man sagen: Stress ist die Dysbalance von Anspannungs- und Entspannungsphasen im Alltag.

Und nun in den Zeiten von Corona, wo das Missverhältnis zwischen körperlicher und psychischer Be- & Entlastung noch einmal in gewaltige Schieflage gerät, boomt der Onlinemarkt an Entspannungstechniken. Doch ist das Verständnis der tatsächlichen Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten von Entspannung noch unvollständig und oft von den Anwendern unverstanden.

Wieso entspannen?

Was ist Entspannung?

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter dem Begriff Entspannung ein angenehmer Zustand mit gelöster Muskulatur, Ausgeglichenheit im Denken und Fühlen sowie Zufriedenheit verstanden.

Entspannung ist kein Sonderzustand, sondern eher ein angeborenes, natürliches, biologisches Muster, das im Grunde jedem Menschen zur Verfügung steht. Entspannung ist ein spezifischer psychophysiologischer Prozess, welcher dem Schutz des Organismus vor übermässiger Beanspruchung und stressbezogenen Krankheitsprozessen dient.

Wieso ist Entspannung für uns so notwendig?

Das Verständnis über die Physiologie der Entspannung, kann ebenso ein vertieftes Verständnis von „Entspannung“ bedeuten, wie auch als ein Sprungbrett, in noch viel tiefere Erfahrungsdimensionen sein. Die eigene Entspannung bzw. den eigenen Weg zur Entspannung, hat jeder Anwender selbst in der Hand und somit hat er einen freien Zugang zur seiner eigenen, gesundheitsfördernden Selbstregulation.

Was bringt Entspannung?

Entspannung zum Schutz vor Überlastung

Zu früheren Zeiten ergaben sich Entspannungsphasen fast automatisch aus den Aktivitätsrhythmen der Gesellschaft. Doch der „modernisierte – digitalisierte“ 24H-Workaholic von heute, muss seine Ruhephasen ganz bewusst in seinen Alltag einplanen. Da liegt es fast schon auf der Hand, dass wir die eigentliche, normale Fähigkeit der Entspannung“ verlernt haben.

Bei vielen Menschen besteht ein eher ausgleichendes Bedürfnis nach Entspannung, wobei dieses nicht selten in konsumtiven Reaktionen wie Essen, Trinken oder Rauchen ausartet, anstatt in der Rückbesinnung auf die dem Menschen eigene, natürliche Basisfähigkeit zur Entspannung.

Bevor die Leistungsfähigkeit des Menschen ans Äußerste getrieben wurde, war es möglich, sein Bedürfnis nach Beruhigung durch einfache Alltagspraktiken wie Ausschlafen, „sinnloses“ Vor-sich-hin-Dösen, Spielen, Spazierengehen, Singen, Wandern, Tanzen oder Beten zu befriedigen. Heute müssen jedoch oft spezielle Entspannungsverfahren oder ritualisierte Handlungen zur Entspannung, den Schutz vor Überlastung gewährleisten.

Ruhephasen oder Reaktivierungsphasen dienen nicht nur der eigentlichen Entspannung im körperlichen Sinne, sondern ermöglichen uns auch Wohlbefinden, das Aktivieren von Ressourcen, Selbstbesinnung und -erkenntnis, kreative Schöpfungen und ein gesundes Selbstmanagement bis hin zum spirituellem Wachstum.

Wozu Entspannung?

Welche Methode ist die richtige für mich?

Oh ja. Der Markt an Entspannungsmethoden ist voll. Zur Vereinfachung sollte man zwischen aktiven Entspannungsmöglichkeiten wie Meditation und Yoga, sozusagen selbstständig durchführbare Techniken, sowie passive Entspannungsanwendungen, wie z. B. Massage oder Traktionsanwendungen unterscheiden, welche einen zusätzlichen Dienstleister benötigen.

Die Wahl der richtigen Entspannungsmethode richtet sich nach dem individuellen Entspannungsziel. Selbstregulation spielt hier eine große Rolle. Wer nicht weiß was ihm körperlich und seelisch fehlt, kann sich nur schlecht selbst regulieren. Wenn ich entspannt sein möchte, ist das Erschaffen der persönlichen Ruhephase schon fast das Ziel.

Wozu entspannen?

Die Entspannungsreaktion – das Grundprinzip aller Entspannungsverfahren

Wie unterschiedlich die vielen Entspannungsmethoden auch sind, sie bewirken allesamt eine Entspannungsreaktion. Gelegentlich spricht man auch von Entspannungsreaktion oder Entspannungsantwort. Diese sog. Reaktion bzw. Antwort, umfasst messbare, physiologische Veränderungen. Je öfter eine Entspannungsmethode durchgeführt wird, desto leichter und rascher ist der Körper in der Lage, sich in den Zustand der Entspannung zu begeben sozusagen eine konditionierte Entspannungsreaktion abzurufen. Auf diese Weise lassen sich diese charakteristischen psychophysiologischen Veränderungen zügig und willentlich herbeiführen.

Weitläufig bekannt sind wohl die körperlichen Reaktionen, welche man sofort wahrnimmt, z. B. die muskuläre Entspannung, eine verbesserte Durchblutung mit subjektivem Wärmegefühl und einer Atemvertiefung und Einatemverlängerung.

Weniger merklich sind die inneren Anpassungsprozesse. Eine arterielle Blutdrucksenkung lässt sich sogar nach mehrmonatigem, systematischem Entspannungstraining dauerhaft erzielen.

Im Gehirn kann eine beruhigende niederfrequente Wellenlage nachgewiesen werden und auch die Stoffwechselaktivitäten erfahren eine regulierende Wirkung. Deshalb wirkt sich die Meditation sogar günstig auf den Blutzucker, den Serumcholesterin-Spiegel, Entzündungswerte, sowie eine Vielzahl körpereigener Hormone aus.

Unter Entspannung ändert sich schließlich auch der Hautwiderstand im Sinne einer Abnahme der Hautleitfähigkeit: Wir Schwitzen weniger.

Was ist Entspannung?

Meditation ist ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche, ursprünglich spirituelle Praktiken aus verschiedenen Glaubensrichtungen zur Erlangung einer tiefen Ruhe, Erweiterung des Bewusstseins und Förderung spirituellen Wachstums.

Bereits seit den 70er Jahren findet die Meditation ihren Platz in der Verhaltenstherapie, als nachweislich wirksame Zusatzmaßnahme bei der Behandlung von zahlreichen Stress-bezogenen psychischen und körperlichen Störungen.

Anwendungsgebiete

Meditation wird bereits seit vielen Jahren zur Behandlung einer Vielzahl an körperlichen und psychischen Erkrankungen angewendet. Die meisten kennen die Anwendung bei psychischen Störungen, stressbedingten Störungen z. B. Erschöpfungssyndrom, Angst-, Belastungs- und Anpassungsstörungen, leichte bis mittelgradige depressive Störungen, somatoforme Störungen, Schlafstörungen, Sexualfunktionsstörungen, Stimm- und Sprechstörungen. Aber auch körperliche Erkrankungen können sehr gut durch Meditation positiv begleitet werden. Hierunter zählen Bluthochdruck, koronare Herzerkrankungen, periphere Durchblutungsstörungen, Asthma bronchiale, gastrointestinale Störungen, akute und chronische Schmerzen, Kopfschmerzen vom Migräne- und Spannungstyp, Schlafstörungen und sexuelle Funktionsstörungen.

Aber tatsächlich gibt es auch Erkrankungen, bei denen von der Anwendung diverser Meditationstechniken abgeraten wird. Damit sind jene psychischen Störungen gemeint, die zum Teil mit unsicherem Realitätsbezug oder Realitätsflucht einhergehen.

Darunter zählen z. B. psychotische Störungen, schwere depressive Episoden, Zwangsstörungen, dissoziative Störungen, Depersonalisierungs-/Derealisationssyndrom, Kontrollverlustängste, Verwirrtheitszustände, starke symbiontische Tendenzen, hypochondrische Störungen, Motivationsstörungen und unrealistische Erwartungen.

Entspannung und Selbstheilung

Nebenwirkungen – ja da gibt es tatsächlich welche!

Die bei der Entspannung wahrgenommen körperlichen Veränderungen, werden nicht immer als angenehm empfunden. Gelegentlich kommt es zu Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen und Änderungen des Körperschemas um nur einige Beispiele zu nennen. Solches Empfinden bezeichnet man auch als paradoxe Phänomene oder spontane autogene Entladungserscheinungen. Entspannung kann sogar zu Angstreaktionen führen. Als begünstigende Faktoren für diese paradoxe Angst gelten Ängste vor Kontrollverlust bzw. dem Sich-gehen-Lassen, vor Untätigkeit sowie generelle Ruhelosigkeit.

Solchen Nebenwirkungen einer Entspannungsmethode kann jedoch entgegengewirkt werden, indem man diese an die individuellen Bedürfnisse des Übenden anpasst.

Wie kommt es von der Meditation zur Selbstheilung?

Der wohl wichtigste Stoff im Wirkungskreis der Entspannung ist das Stickstoffmonoxid. Es ist ein Botenstoff, welcher an einer Vielzahl von Prozessen, um, an und in einer Zelle beteiligt ist. Z. B. benötigen wir es zur Entspannung der glatten Muskelzellen. Diese findet man u. a. in Organen. Es hat eine gefäßerweiternde Wirkung, welche ein subjektives Wärmeempfinden zu Folge hat. Unser Nervensystem beeinflusst es positiv und hat eine regulierende Wirkung. Das Motivations- und Belohnungssystems wird angesprochen, weshalb wir uns bei und nach der Meditation so zufrieden fühlen. Das Gleiche passiert übrigens auch beim Sex oder Essen, weshalb das oben kurz erwähnte Kompensationsverhalten, naheliegt.

Was tatsächlich sehr spannend ist, ist die Tatsache, dass Entspannung auch einen positiven Einfluss auf unser Immunsystem wie auch auf unser Hormonsystem hat. Kurzum: Entspannung wirkt auf allen Ebenen!

entspannen und selbst heilen

Fazit für die Praxis

Gängige Entspannungsverfahren, die mit einer erhöhten Selbstaufmerksamkeit verbunden sind, führen neben der körperlichen Veränderung, zu einer verstärkten Selbstwahrnehmung und psychischen wie auch physischen Selbstregulation. Neuere Untersuchungen belegen, dass Regionen des ZNS (Zentralnervensystems) unter Entspannung willentlich trainierbar und gestaltbar sind.

Mein Tipp aus der Praxis: Entspannen Sie sich! Es ist ein frei verfügbares Mittel zur persönlichen Gesundheit. Außerdem hat es auch einen positiven Effekt auf ihre Umwelt. Sind Sie entspannt, überträgt sich dies auch auf ihre Mitmenschen. In diesem Sinne: Danke fürs Lesen und bleiben Sie entspannt.

Selbstheilung Entspannung

Ihre Ulrike Freiherr

Heilpraktikerin für Physiotherapie

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